Bayrischer Rundfunk – Nachrichten
Von: Achim Winkelmann / Stand: 18.07.2015

Ärztemangel in Bayern. Bereitschaftsdienste nachts und am Wochenende sind kaum zu besetzen. Nun sollen Fachärzte, die sich mit Allgemeinmedizin nicht auskennen, einspringen – und für Behandlungsfehler haften. Sie suchen Hilfe.

„Arzt mit Approbation und mehr als dreijähriger klinischer Erfahrung gesucht für Bereitschaftsdienste im Raum Oberfranken“ – so lautet nur eine Anzeige auf der Seite von Herrn Krassilschikov. Der Arzt und Psychiater hat vor sechs Jahren in Düsseldorf eine Agentur gegründet, die Bereitschafts-Ärzte an große Krankenhäuser und Praxen vermittelt. Bis zu dreimal in der Woche wird er derzeit nach einem Vertretungsarzt gefragt. „In einem aktuellen Fall schicke ich zum Beispiel eine Ärztin aus Niedersachsen zu einem Dienst nach Bamberg“, erzählt er.

Fachärzte müssen Dienste übernehmen

Dass viele bayerische Fachärzte derzeit einen Vertreter suchen, hängt auch mit der Reform der Bereitschaftsdienste zusammen. Weil es in Bayern nicht mehr genügend Allgemeinärzte gibt, die Bereitschaftsdienste übernehmen können, sollen nach dem Willen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) seit April nun alle ran, die irgendwie etwas mit Medizin zu tun haben. Mehr als 2.000 zusätzliche Fachärzte hat die Kassenärztliche Vereinigung dafür aktiviert – Fachärzte wie etwa Psychiater, Pathologen oder Nuklearmediziner, die keine Experten für Allgemeinmedizin sind.

Nicht für Bereitschaftsdienste qualifiziert

„Allgemeinmedizin gab es in meinem Studium gar nicht“, sagt etwa der Schweinfurter Pathologe Bernhard Heine. „Ich bin nicht qualifiziert für diese Dienste, ich bin Pathologe am Mikroskop. Und wenn ich in der Nacht irgendwo hin gerufen werde, dann geht es vielleicht manchmal um Leben oder Tod.“ Ähnlich sehen das auch viele andere Kollegen. Mehr als 260 Ärzte haben der Aufforderung bisher widersprochen, Heine und zwölf weitere Fachärzte haben darüber hinaus auch Klage gegen die Bereitschaftspflicht eingereicht. Mit einem Eilverfahren auf aufschiebende Wirkung am Landessozialgericht ist Heine allerdings bereits gescheitert.

Poolsystem der KVB nicht ausgereift
Die KVB bestreitet, dass es echte Schwierigkeiten gibt, die Bereitschaftsdienste zu besetzen. Schließlich gebe es einen Bereitschaftspool von Ärzten, die kurzfristig einspringen könnten. Mehr als 50.000 solcher Poolärzte, darunter auch Klinikmediziner und Rentner, hat die KVB angeschrieben. Sie sollen künftig in ganz Bayern eingesetzt werden. Allerdings räumt die KVB auf Nachfrage des Bayerischen Rundfunks ein, dass das Poolarztmodell derzeit vielerorts noch hakt.